Zurück in die 2. Heimat!

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Ein halbes Jahr nach unserer Rückkehr nach Deutschland 2013 haben uns das Heimweh und das deutsche Wetter zurück getrieben in die zweite Heimat Brasilien!

Eigentlich hätten wir bis Juni Zeit gehabt, das Rückflugticket zu nutzen, aber der Horror vor dem WM 2014 – Rummel und den erwarteten und wahrscheinlichen Preiserhöhungen ließ uns kurzerhand den Flug antreten. Auf der Agenda diesmal ein Besuch bei unseren lieben Freunden in Balneario Camboriu und der obligatorische RIOaufenthalt, das ist ein Muss. Außerdem geht es mal wieder nach >Recife und selbstverständlich nach Minas, d.h. nach Ouro Preto zu unseren Teutobrasileiros Uschi und Hubert!

Am 21. Januar 2014 geht der Flieger, 20.00 h ab Frankfurt mit der TAM nach Sao Paulo und Florianopolis. Damit wir nicht übermütig werden breche ich mir am 6.1. erst mal den Knöchel, bei einer hektischen Einkaufstour wegen abendlichem Besuch! DAS hat noch gefehlt! Aber was ist das gegen eine Brasilienreise, Zähne zusammen gebissen und durch, ohne Gips – Gott sei Dank – weil nur die Fibula an einer Stelle gebrochen ist, wo sie sich nicht „dislozieren“ kann! So komme ich immerhin zu einer Fahrt mit dem Wägelchen durch den Airport und muss nicht kilometerlang bis Gate 48 zu Fuss laufen…. Kurze Beschreibung eines wie immer grauslichen Fluges: Voll, schmuddelig,  Turbulenzen, Rattenfrass, Betonlandung um 4:45 h, aber Anschluss nach Floripa um 7:55 h bei strahlendem Sonnenschein und wunderbarem Blick auf die Coastline und Balneario!!!! Gegen 11 h sind wir bei unseren brasilianischen Freunden! Abends erwartet uns ein wie immer traumhaftes Churrrasco von Maitre Ilton mit Linguica, Alcatra und Picanha…….wir sind wieder zu Hause!

Am nächsten Morgen holen wir tatsächlich endlich unsere brasilianische „carteira“ ab, mit der erlösenden Aufschrift: PERMANENTE, das heisst wir haben unsere permanente Aufenthaltsgenehmigung für unsere Zweitheimat und können theoretisch ohne Visum bleiben, so lange wir wollen! Ein gutes Gefühl! Abends Treffen mit den LIONS-Freunden in Itajai im „Beti Bistro“, ausgesucht von Celio natürlich, sehr hübsch, voll mit antikem Krimskrams und den für mich ersten und einzigen GUTEN „bolinhos de bacalhau“, keine Schalen und Gräten und sehr kross….köstlich. Auch ein Besuch in unserem Lieblingsrestaurant darf nicht fehlen, mit amigo Sergio in die „Oficina do Sabor“….

Nach wunderbaren nostalgisch angehauchten Tagen geht es weiter, nach RIO DE JANEIRO! Am 29.1. um 10.50 h mit AZUL, einer kleinen feinen Airline, ab Navegantes. Und dann das: mein ganzes Leben lang habe ich mich geweigert, in eine Propellermaschine zu steigen, und dann sitze ich in dem Flieger und denke es ist ein Embraer – Jet, bis ich plötzlich aus dem Fenster schauend auf ROTORBLÄTTER blicke……….ich denke mich trifft der Schlag! SCHOCK! Und ich kann nicht mehr RAUS!!!!!!! Zum ersten Mal in meinem Leben ein Propellerflieger ….. und natürlich ist der Flug mit der Gurke auch noch länger als mit einem Jet! Unerwarteterweise überlebe ich und finde es nicht mal schlimm, aber das schöne Wetter kommt auch sehr entgegen, ich möchte nicht wissen, wie das bei Regen und Sturm aussähe!? Von Sao Paulo mit dem Jet nach Rio in 45 Minuten…..relief! Der Anflug wie immer ein emotionaler Moment, Blick erst auf die Serra dos Orgaos, dann auf die Baia, den Cristo und das Maracana, die Brücke nach Niteroi, alles … was für eine wunderbare, wunderschöne geliebte Stadt, cidade maravilhosa!

Der Taxifahrer ist mufflig (ist der wirklich Brasilianer?) und weiss dann auch nicht, wo in Copacabana die Rua Saint Roman ist, allerdings kann man es fast verstehen, das ist nämlich eine besondere Adresse, in der FAVELA CANTAGALO! Wir haben zwei Nächte in der favela gebucht, habe ich im Internet gefunden, nach einem Fernsehbericht. Unseren brasilianischen Freunden standen vor Entsetzen die Haare zu Berge, aber wir wollten das mal erleben, Rio aus einem anderen Blickwinkel! Nicht immer nur erste Reihe Luxus in Copacabana!

Mit Hilfe des Navi fanden wir dann die Adresse, mussten aber dann am Fuße einer Treppe aussteigen und eigentlich unseren ganzen Krempel hoch zur POUSADA FAVELA CANTAGALO schleppen. Es fand sich aber ein rabenschwarzer, etwas zerzauster junger Mann, der sich sofort  anbot, die 45 Kilo die vielen Stufen hinauf zu wuchten. Ich hatte zwar insgeheim leichte Bedenken, er würde im Eilschritt mit unseren Koffern türmen und uns alte Gringos locker abhängen, aber völlig unbegründet!

Die Pousada liegt an einem steilen Hang mitten im Gewirr der Gassen, die Zimmer sind klein, haben einfache Bäder mit Chuveiro, aber es gibt eine wunderbare Dachterrasse samt Blick über Copacabana bis zum Meer….und über die Favela. Es ist wie Kino, wohin man schaut ist Leben, und LÄRM! Hundegebell, Musik, Geschrei, Lautsprecher, Tag und Nacht bleibt das so! Aber wie wir wissen sind Brasilianer dagegen immun! Die Besitzerin ist LIGIA, eine nette junge Frau, Farbton wie in den Favelas üblich, sie hat es intelligent angestellt und in den schlechten Zeiten, in denen die Drogenbanden dort herrschten, ihr Wohnhaus und die Pousada gekauft, nun profitiert sie von der Befriedung und den meist ausländischen, neugierigen Touristen. Irgendwann in naher Zukunft wird das eine „gute Gegend“ werden, da bin ich sicher, wer kann sich momentan Copacabana „unten“ leisten, kaum jemand!?


Auf den Dächern der unverputzten und aneinander hängenden Ziegelhäuser stehen Kinder und lassen Drachen steigen, überall wird gearbeitet, gebaut, wieder ein neues Haus an den Berg geklebt! Die Favela ist „pacificada“, befriedet, aber trotzdem laufen überall Militärpolizisten mit Maschinengewehren im Anschlag durch die Gassen, da wird einem schon anders, aber nur wegen der berüchtigten „balas perdidas“, Querschläger bei Schießereien, die meistens Unbeteiligte treffen…

Abends gehen wir zu Fuss runter nach Copacabana, zur allabendlichen Caipirinha und einer Picanha mit arroz und feijao……köstlich. An uns vorbei wandern Touristenströme, die meisten sind leicht auszumachen, sie klammern ihre Handtaschen an sich – anstatt sie im Hotel zu lassen. Ich nehme nie etwas mit, außer ein bisschen Bargeld in der Hosentasche. Gegen 23 h zurück in die Favela, mit dem Taxi bis an die Treppe, dann zu Fuss nach oben. Der Taxifahrer traut seinen Augen nicht, als wir aussteigen und wartet erst mal, bis wir hinter einer Hausecke verschwinden. Aber wieder versucht keiner, uns zu berauben oder zu ermorden. Die Bewohner sind übrigens auffallend kommunikativ und freundlich, alle grüßen und versichern uns, dass wir keine Angst haben müssen, hier wäre alles „tranquilo“, und so verschwindet dieses anfängliche mulmige Gefühl. Es gibt übrigens eine Art Bürgerzentrum, das über einen Lautsprecher, der Tote erwecken könnte,  Nachrichten aus der Kommune verbreitet.

Am nächsten Morgen frisch ausgeruht, ein Gecko hat uns nachts beschützt, aber nicht alle Mücken erwischt. Frühstück auf der Dachterrasse, traumhafter Blick über Copacabana, schlechter Kaffee aber gute Vitamina.

Heute wollen wir ein bisschen „Tourismus machen“, gemächlich gehen wir den Hügel runter, die Polizei läuft Streife, schwer bewaffnet, so ganz ohne geht es wohl doch noch nicht. Wir finden direkt ein Taxi und fahren erst mal ins Zentrum, zur BIBLIOTECA REAL GABINETE PORTUGUÊS DE LEITURA in der Rua Luis de Camões, mit einer wunderbaren manuelinischen Fassade ist es eine Bibliothek mit ca. 350 000 Werken portugiesischer Literatur, 1837 von portugiesischen Einwanderern gegründet, mit einem beeindruckenden Lesesaal und farbigen Glasfenstern in der Decke. Dort steht auch ein originaler Spix und Martius, leider konnten wir die dicke Schwarte nicht wegen größerer organisatorischer Probleme anschauen….

Zu Fuss anschließend an der Kathedrale vorbei zu den ARCOS DA LAPA, dem großen Viadukt, und quer über den Platz zu der ESCADARIA SELARÓN, benannt nach Jorge Selarón, einem 1947 geborenen chilenischen Künstler, der seine Heimat aus politischen Gründen verlassen musste. Es ist eine Treppe, die an seinem Haus vorbeiführte, mit etwa 250 Stufen und einer Länge von 125 m und bestehend aus bunten Fliesen, Keramik und Spiegelstücken, u.a. sehe ich eine Kachel aus Heidelberg! Aus der ganzen Welt schickte man ihm Fliesen zu, die er in der Treppe verarbeitete, viele in den Farben der brasilianischen Flagge. Auch Bilder hat er dort eingearbeitet, er malte haufenweise schwangere Frauen, angeblich musste er seine schwangere Frau in Chile zurücklassen und hat sie nie wiedergesehen. Einer der „mobilen“ Verkäufer an der Treppe erzählte mir, er habe sich 2013 auf seiner Treppe das Leben genommen und sei dort tot gefunden worden. Sein Lebenswerk aber ist inzwischen eine der Attraktionen in Rio!

Unser nächstes Ziel ist eine weitere Attraktion der Stadt, das MAR, Museu de Arte do Rio an der Praça Mauá, eine gelungene architektonische Verbindung von altem (Palacete Dom Joāo VI) und neuem (Terminal rodoviário Mariano Procópio) Museumsgebäude durch die wellenförmige Dachkonstruktion… toller Blick vom Dach, dann kann man sich von einem Stockwerk zum anderen durch die Sammlung nach unten kämpfen.

Ganz begeistert war ich von einem Maler: Lula Cardoso Ayres (1910 – 1987), geboren in Rio Formoso / Recife, seine Familie war im „Zuckerbusiness“, klar, Pernambuco, aber seine Liebe galt der Malerei! Hübsche Bilder in den unterschiedlichsten Stilen…..

Angeblich gibt es in RECIFE ein Museum mit seinen Bildern, aber, um es gleich vorweg zu nehmen, es ist uns später dort nicht gelungen, es zu finden. SO gehen sie mit ihren Künstlern um, sie verschwinden in der Versenkung!

Übrigens eine Bemerkung zum Eintritt: Für Leute über SECHZIG ist der Eintritt ins Museum FREI !!!!!! Das ist Brasilien! Als IDOSO hat man es hier gut, in Balneario Camboriu kann man z.B. umsonst parken und in der Bank oder Post kann man eine Extranummer ziehen, die flicken dann die Senioren immer zwischen die Leute in der Schlange oder es gibt sogar eine Extraabfertigung! Ebenso am Flughafen, da gibt es extra „filas“ für Senioren! Nicht wie im Rest der Welt, wo man sehen kann wie man zurecht kommt!!!!
HUT AB!!!!!

Weiter auf unserem Tourismus-Trip!
Trotz vieler Aufenthalte in Rio waren wir noch nie im Theater, erbaut 1909!

Dabei sieht es doch sehr ansprechend und interessant aus, vor allem nach der Restaurierung! Um die Mittagszeit gibt es eine Führung. Sehr viele Leute. Aufteilung in zwei Gruppen und los. Schon die Lobby ist sehr beeindruckend, Wandfriese in Keramik, überall Marmor, besonders schön ein grüner an der Treppe. Wunderbare Lampen im Jugendstil!   Prächtige Glasfenster und Deckengemäde, der Zuschauerraum dagegen fast spartanisch!! Am Anfang der Führung stand übrigens ein Film über die Restaurierung des Theaters, es muss in einem grauenhaften Zustand gewesen sein! 350 Restauratoren und viel Blattgold haben es wieder zu einem Schmuckstück gemacht!!!!

Nach unserem Wochenende in der Favela ziehen wir dann wieder in die gewohnte Umgebung in Copacabana… mal wieder ins OTHON PALACE. Im Bett liegend lasse ich mir nochmal den Aufenthalt in CANTAGALO (=“Hahnenschrei“ übrigens) durch den Kopf gehen! Die Hunde die ständig kläffen, der Dreck überall, es riecht nach Pisse in den engen Gassen, überall schreit jemand rum, Wasser ist ein Problem, wie die gräßliche Tröpfeldusche zeigt, katastrophale Elektroleitungen, die überall blank liegen, alles muss man zu Fuss hochchleppen, die Leute sind meistens arm und bezeichnenderweise schwarz………….aber nachdem die Polizei aufgeräumt und die Favela befriedet hat haben die Leute enorm an Lebensqualität gewonnen. Die Luft ist besser da oben, die Aussicht sowieso, es gibt Bäume und Grün, die Kinder können sich dort austoben, wie viele haben wir gesehen, die dort von den Dächern aus Drachen steigen lassen, die Leute sind freundlich und grüßen, anscheinend sorgt die „Associacão dos Moradores do Cantagalo“, eine Anwohnervereinigung, für Zusammenhalt und Information …. per plärrendem Lautsprecher! Es war eine gute Erfahrung für uns, JEDERZEIT WIEDER!!!! Und den etwas wohlhabenderen Brasilianern würde die Erfahrung auch mal gut tun…..

Sonntags finden wir dann auch mal den Weg in die Kirche, wenn auch nur zur Besichtigung. Auf dem Programm steht die MOSTEIRO DE SÃO BENTO. Überwältigender Prunk, Holzschnitzereien und viiiieeel Gold, aber zu duster. Seitenaltäre mit allen möglichen Heiligen.

So sehen sie halt aus, überladen mit dem Gold aus MINAS GERAIS, das es ja auch im Übermaß in die portugiesischen Kirchen geschafft hat!!!

Auf dem Rückweg halten wir noch am Museu de Arte Moderna,  aber aus botanischem Interesse…… UM das Museum herum gibt es eine Attraktion für mich:  Kanonenkugelbäume!!!!! Ich finde sie einfach faszinierend!!!!

Kanonenkugel-Baum (Couroupita guianensis), wunderschöne exotische Blüten und gleichzeitig „Kanonenkugelfrüchte“ am selben Baum!!!!

So etwas gibt es halt nur in den Tropen……………………

DAS war sozusagen das Tüpfelchen auf dem i und die Attraktion zum Abschied, wir verlassen RIO, die „Cidade Maravilhosa“, die „wunderbare Stadt“, immer wieder eine Reise wert! Immer wieder entdecken wir Neues und genießen trotzdem das Bekannte!!

Weiter geht es mit dem Omnibus, dem Hauptverkehrsmittel in Brasilien würde ich denken, morgen früh zu nachtschlafender Zeit mit UTIL nach OURO PRETO!!!!!!!!

Aber das ist eine andere Geschichte!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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